Frank Dittmer Sprach- und Sprechartist
Frank DittmerSprach- und Sprechartist

Frank Dittmer - gegen den Krieg!

Als Radikal-Pazifist widerstrebt mir jede Form von Gewalt und Anti-Gewalt-Gewalt. Ich bin der festen Überzeugung, dass man Krieg nicht mit Krieg bekämpfen, sondern ihn damit nur eskalieren kann. FRIEDEN ist das richtige und einzige Gegen-Mittel zum Krieg!

 

Als friedliebender Kulturschaffender sehe ich mich einigermaßen mittellos dem Unfrieden unter den Menschen ausgesetzt. Ich finde keinen Weg, den abblätternden Firnis von Kultur, den sich die Menschheit einst übergepinselt hat, mit künstlerischen Mitteln wieder auszubessern.

 

"Schwerter zu Pflugscharen" schwirrt mir da im Kopfe - den Panzer umstülpen und zum Fitnessgerät umdefinieren. Wenn doch nur Kultur solche (Anti-) Gewalt über die Menschen besäße, diese Neudefinitionen vornehmen zu können.

 

Als ich jüngst Dada-Texte auf die Sprech-Bühne brachte, fühlte ich mich auf einmal ganz nahe diesen künstlerischen Kriegs-Flüchtlingen, die da eine neue Anti-Kunstform auf die Panoptikums-Brettlbühne stellten und damit eigentlich eine neue Gesellschaft formen wollten.

 

Und natürlich hat Kurt Tucholsky nimmermüde den latenten Militarismus der zwischenzeitlichen deutschen Republik angeprangert - ohne Erfolg. Nicht mal drei Minuten Gehör wollten ihm die Scharfmacher schenken... In meinem Podcast sind einige dieser verzweifelten "Nie wieder Krieg"-Rufe Tucholskys nachzuhören.

 

Nonsense gegen den Krieg? Dadaismus als Lebensmodell?

 

Krieg und Nonsense machen zusammengenommen ja schon deswegen Sinn, als Krieg wirklich totaler Nonsense ist. Das allerdings kann einem dann schon wieder jeglichen Nonsense verleiden...

 

Die jungen Künstler, die im Schatten des Ersten Weltkrieges den Dadaismus aus der Taufe hoben, taten es auch aus Verzweiflung am alten (Gesellschafts-) System und auf der Suche nach einer neuen, gänzlich unbelasteten Kunstform.

 

Im Züricher „Cabaret Voltaire“ schlossen sich 1916 bildende Künstler, Collagisten, selbsternannte Dichter, Weltverbesserer zusammen und schockierten die ehrbaren Schweizer Bürger mit spontanen Bühnen-Performances. Sie nannten ihre neue Kunstform „Dada“ und wollten nichts weniger, als alles Hergebrachte auf den Müllhaufen der Kunstgeschichte werfen. Außenstehende betrachteten die collagierten Ergebnisse zuweilen als bloßen Unsinn - aber sie waren doch wesentlich mehr als das.

 

Einer der dabei war, Hans Arp, berichtet: „Angeekelt von den Schlächtereien des Weltkrieges 1914, gaben wir uns in Zürich den schönen Künsten hin. Während in der Ferne der Donner der Geschütze grollte, sangen, malten, klebten, dichteten wir aus Leibeskräften. Wir suchten eine elementare Kunst, die den Menschen vom Wahnsinn der Zeit heilen (…) sollte.

 

In einem kunterbunten, überfüllten Lokal  sind einige wunderliche Phantasten auf der Bühne zu sehen, welche Tzara, Janco, Ball, Huelsenbeck, Emmy Hennings und meine Wenigkeit darstellen. Wir vollführen einen Höllenlärm.  Das Publikum (…) schreit, lacht und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Wir antworten darauf mit Liebesseufzern, mit Rülpsen, mit Gedichten, mit „Muh, Muh“ und „Miau, Miau“ (…).

 

Tzara läßt sein Hinterteil hüpfen wie den Bauch einer orientalischen Tänzerin, Janco spielt auf einer unsichtbaren Geige und verneigt sich bis zur Erde. Frau Hennings mit einem Madonnengesicht versucht einen Spagat. Huelsenbeck schlägt unaufhörlich die Kesselpauke, während Ball, kreideweiß wie ein gediegenes Gespenst, ihn am Klavier begleitet.“

 

Der Dadaismus mündete Anfang der 1920er Jahre künstlerisch in den Surrealismus. Kunst war jetzt von reiner Abbildung der Wirklichkeit befreit, der Kunst-Kanon durfte forthin als Steinbruch verstanden werden und in die Collage eingehen. Das Hergebrachte konnte überwunden werden, um sich auf eine neue Ebene der Wirklichkeit zu begeben.

 

Hugo Ball: gadji beri bimba
Mit neuer Sprache zu einer neuen Wirklichkeit? Ein Text aus der Serie von Laut-Gedichten des dadaistischen Dichters Hugo Ball.
Hugo-Ball_gadji-beri-bimba.MP3
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